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Die Produktivitätslüge: Wer wirklich von der KI-Hysterie profitiert (und wer verliert)

By Petra Wagner • December 13, 2025

Die Produktivitätslüge: Wer wirklich von der KI-Hysterie profitiert (und wer verliert)

Die Schlagzeilen überschlagen sich: Künstliche Intelligenz (KI) wird die Produktivität revolutionieren. Jeder Analyst, jeder CEO, jeder Möchtegern-Guru verkündet, dass wir am Vorabend einer neuen goldenen Ära der Effizienz stehen. Doch hinter diesem lauten Bullenmarkt verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit, die niemand aussprechen will: Diese angebliche Welle der Produktivitätssteigerung ist primär ein Transfer von Wert, kein exponentielles Wachstum für alle.

Wir müssen die aktuelle Debatte um Produktivität entmystifizieren. Es geht nicht darum, dass plötzlich jeder Mitarbeiter doppelt so viel leistet. Es geht darum, dass die Kapitalgeber der KI-Infrastruktur – die Tech-Giganten und deren Zulieferer – die Kontrolle über die Wertschöpfungskette übernehmen. Die Analysten, die von einer massiven Steigerung der globalen Wirtschaftsleistung sprechen, übersehen die strukturellen Verschiebungen in den Arbeitsmärkten.

Der heimliche Gewinner: Die Kapitalkonzentration

Der wahre Profiteur der KI-Revolution ist nicht der Endverbraucher oder der durchschnittliche Angestellte, sondern das Kapital, das in die Modelle fließt. Wenn eine Software die Arbeit von fünf Junior-Analysten in einer Stunde erledigt, sehen Unternehmen eine sofortige Kostensenkung. Das ist keine Produktivitätssteigerung im klassischen Sinne (mehr Output pro Arbeitsstunde des gesamten Systems), sondern eine **Effizienzsteigerung durch Arbeitsplatzeliminierung**. Die Gewinne fließen nach oben, während die Lohnquote tendenziell sinkt.

Wir sehen eine historische Parallele zu den industriellen Revolutionen, aber mit einem kritischen Unterschied: Der technologische Fortschritt ist heute so schnell, dass die gesellschaftlichen und politischen Anpassungsmechanismen – Umschulung, neue Industrien, soziale Sicherungssysteme – nicht mithalten können. Die Kluft zwischen denen, die die Algorithmen entwickeln und besitzen, und denen, deren Arbeit sie ersetzen, wird sich dramatisch vergrößern. Wer heute über die „Produktivität der Dinge“ spricht, ignoriert die Stagnation der menschlichen Einkommen.

Warum Ihre Rolle bald obsolet ist (Die Kontrarian-Sicht)

Die gängige Meinung besagt, KI werde repetitive Aufgaben übernehmen und uns für kreativere Arbeit freisetzen. Das ist Wunschdenken. Die Realität ist, dass KI zunehmend die **kreativen und kognitiven Kernaufgaben** angreift, die bisher als sicher galten. Programmieren, juristische Recherche, Content-Erstellung – alles wird durch Modelle, die auf riesigen Datenmengen trainiert wurden, effizienter. Die eigentliche Herausforderung ist nicht, mit den Tools zu arbeiten, sondern zu definieren, welche menschliche Leistung überhaupt noch einen Mehrwert generiert, der nicht durch eine Lizenzgebühr monetarisiert werden kann. Wer nicht die Infrastruktur kontrolliert, wird zum Dienstleister der Algorithmen.

Was kommt als Nächstes? Die Vorhersage

In den nächsten fünf Jahren wird die **Produktivitätsdebatte** von einem Optimismus-Narrativ zu einer politischen Notwendigkeit kippen. Die ersten großen Unternehmen, die KI aggressiv implementieren, werden zwar kurzfristig beeindruckende Margen ausweisen. Doch die makroökonomische Folge wird eine breite Stagnation der Mittelschicht sein, da die Nachfrage aufgrund fehlender Kaufkraft sinkt. Meine kühne Vorhersage: Wir werden eine Renaissance der **„Nicht-digitalisierbaren Dienstleistungen“** erleben – hyperlokale, handwerkliche und menschzentrierte Berufe, die bewusst der KI-Effizienz entziehen, um einen sozialen Gegenpol zu schaffen. Regierungen werden gezwungen sein, über substantielle Modelle der Umverteilung nachzudenken, nicht weil sie es wollen, sondern weil die alternative soziale Instabilität zu hoch wird. (Siehe die Debatten um die Zukunft der Arbeit, wie sie etwa die OECD diskutiert [https://www.oecd.org/index/]).

Die Illusion der allgemeinen Verbesserung

Wir müssen aufhören, Technologie als neutrale Kraft zu betrachten. Jede technologische Welle ist ein politisches Instrument. Die aktuelle KI-Welle ist ein Beschleuniger der Ungleichheit. Die kurzfristigen Produktivitätsgewinne sind real, aber sie sind ungleich verteilt. Wahre, nachhaltige Produktivitätssteigerung erfordert gesellschaftliche Investitionen, nicht nur Software-Updates. Bis dahin bleibt es ein Spiel, bei dem die Häuser immer gewinnen. Die Geschichte zeigt, dass technologischer Fortschritt ohne soziale Korrektur immer zu Turbulenzen führt (siehe die Auswirkungen der Dampfmaschine auf das 19. Jahrhundert [https://de.wikipedia.org/wiki/Industrielle_Revolution]).