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Spotify's Video-Offensive: Warum die Musikindustrie Angst vor der TikTok-Kopie haben muss

By Gabriele Schwarz • December 10, 2025

Der Elefant im Raum: Warum Spotify jetzt Videos braucht

Die Nachricht ist da, klein und unspektakulär: Spotify rollt Musikvideos in den USA und Kanada aus. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine logische Ergänzung, ein Nachziehen an YouTube. Doch das ist die harmlose Lesart. Die ungesagte Wahrheit ist: Spotify ist in Panik. Es ist eine Kapitulationserklärung im Kampf um die Verweildauer der Nutzer.

Wir reden hier nicht über einen neuen Feature-Drop; wir reden über eine existenzielle Bedrohung durch die Kurzvideoplattformen. Während Spotify noch vor Kurzem stolz darauf war, der reine Audio-Himmel zu sein, klammert man sich nun an das Format, das TikTok zur globalen Macht verholfen hat. Die Musikindustrie, die diesen Schritt bejubelt, übersieht das eigentliche Dilemma: Spotify versucht, ein Pferd zu reiten, das bereits mit dem Turboantrieb von ByteDance unterwegs ist.

Die wahren Gewinner und Verlierer dieser Strategie

Wer profitiert wirklich von dieser plötzlichen Video-Affinität? Nicht der Hörer, der primär eine kuratierte Playlist sucht. Die großen Gewinner sind zunächst die Major Labels. Mehr Content-Formate bedeuten mehr Möglichkeiten, Künstler zu promoten und die Plattform zur zentralen Anlaufstelle für Musik-Marketing zu machen. Künstler, die ohnehin schon stark auf Visuals setzen, werden einen kurzfristigen Schub erleben.

Die Verlierer sind subtiler. Erstens: Die Nutzererfahrung. Spotify war immer die Zuflucht vor der visuellen Überreizung des Internets. Jetzt wird die App aufgebläht. Zweitens: Die Künstler, die auf reine Audioqualität setzen. Ihre Arbeit wird nun im Schatten des visuellen Spektakels bewertet. Das ist eine massive kulturelle Verschiebung. Drittens, und das ist der entscheidende Punkt: Spotify versucht, TikToks Aufmerksamkeitsökonomie zu kopieren, anstatt ihre eigene Stärke auszuspielen. Das ist ein defensiver Schachzug, kein offensiver.

Der Markt für Musik-Streaming ist ein Nullsummenspiel um die Zeit der Konsumenten. Wenn Spotify Videos anbietet, konkurriert es direkt mit YouTube und Instagram Reels. Aber Spotify hat nicht die Infrastruktur, die Creator-Anreize oder die algorithmische Raffinesse von TikTok. Sie kaufen sich in einen Krieg ein, den sie kaum gewinnen können, nur um nicht irrelevant zu werden.

Analyse: Die Erosion der Audio-Dominanz

Spotify hat jahrelang argumentiert, dass Musik am besten ohne Ablenkung konsumiert wird. Diese Haltung war ökonomisch gefährlich. Heute ist der Konsum von Musik untrennbar mit dem visuellen Kontext verbunden – sei es durch Tanz-Challenges oder ästhetische Mood-Videos. Die Einführung von Videos ist die Anerkennung, dass die Streaming-Plattform nicht mehr nur ein Distributor, sondern ein Content-Aggregator sein muss. Dies wird die Lizenzkosten weiter in die Höhe treiben und den Druck auf die Margen erhöhen, was letztlich die Abo-Preise für alle erhöhen könnte.

Was passiert als Nächstes? Die Vorhersage

Die Einführung von Videos wird kurzfristig zu einem Anstieg der Interaktionsraten führen, aber nur bei einem kleinen Segment der Nutzer. Die große Masse wird die Videos ignorieren oder sie als lästige Option empfinden. Meine kühne Vorhersage: Innerhalb von 18 Monaten wird Spotify gezwungen sein, eine klare Trennung zu ziehen. Entweder sie investieren massiv in eine eigene, TikTok-ähnliche Kurzvideo-Erfahrung (was ihre Kernidentität zerstört) oder sie beschränken die Videos auf statische oder sehr kurze Loops, um das reine Audioerlebnis nicht zu kompromittieren. Der wahre Kampf wird nicht um die 3-Minuten-Videos gehen, sondern um die 15-Sekunden-Hooks, die derzeit auf anderen Plattformen stattfinden. Spotify ist zu spät dran, um diesen Markt zu dominieren.

Die Musikindustrie muss verstehen: Die Kontrolle über die Distribution wird immer fragmentierter. Musik ist heute überall und nirgends gleichzeitig. Spotify versucht verzweifelt, das Loch zu stopfen, das durch die Verlagerung der kulturellen Relevanz zu anderen Apps gerissen wurde.